Definition
Bei Kindern und Erwachsenen mit AVWS liegt eine Störung der Hörverarbeitung zwischen dem Innenohr und dem Gehirn vor. Die "Ohren" hören genauso gut, wie die eines Normalhörenden, allerdings werden die akustischen Impulse nicht korrekt an das Gehirn weitergeleitet.
Im deutschen Sprachraum gibt es viele unterschiedliche Bezeichnungen für Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS). Hier eine kleine Aufzählung der häufig verwendeten Begriffe:
AVWS = auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung
ZAWS = zentral auditive Wahrnehmungsstörung
ZAVWS = zentral auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung
ZAVST = zentral-auditive Verarbeitungsstörung
Auditive Verarbeitungsstörung
Zentrale Fehlhörigkeit
Zentrale Hörstörung
Rezeptive Hörstörung
Konsensus-Statement AVWS
Das aktualisierte Konsensus-Statement AVWS der "Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie" ist im Januar 2007 beim Springer Verlag erschienen. ISSN 0017-6192 (Print), 1433-0458 (Online), Fachgebiet Medizin. Den Link dazu finden Sie unter www.springerlink.com
Download des Konsensus-Statement AVWS der DGPP überarbeitete und aktualisierte Version 2006:
www.dgpp.de/Profi/Konsensus/Leitlinie-AVWS/DGPP-Leitlinie-AVWS-2011.pdf
Auswirkungen
Kinder und Erwachsene mit AVWS haben Schwierigkeiten ...
sich in lauten, geräuschvollen Situationen auf das Hören zu konzentrieren
Straßenlärm, Husten, ein heruntergefallener Bleistift überlagert die Stimme der Eltern oder des Lehrers
gesprochene Sprache aus dem Störlärm herauszufiltern
bei rein auditiv gestellten Aufgaben ermüden sie schnell
sie können die Richtung aus der ein Geräusch kommt nicht richtig zuordnen
Lautsprecheransagen an Flughäfen und Bahnhöfen werden nicht verstanden
Auffälligkeiten
Es gibt eine Vielzahl von Auffälligkeiten, an denen man AVWS erkennen kann. Bei einer starken Häufung der unten genannten Auffälligkeiten empfiehlt sich die Vorstellung bei einem Phoniater und Pädaudiologen. Eine Adressenliste finden Sie unter www.dgpp.de/Service/index_service.htm
Keine konstante Hörreaktion bereits im Säuglingsalter
Kinder neigen dazu, sich in lauten geräuschvollen Situationen die Ohren zuzuhalten oder die Situation zu verlassen
Das Kind findet es im Kindergarten, in der Schule, in großen Einkaufszentren, bei Familienfeiern und Festen zu laut
Häufung von Sprachentwicklungsverzögerung, die sich trotz intensiver logopädischer Behandlung nicht beheben lassen
Buchstaben oder Wortendungen werden weggelassen
Ähnlich klingende Wörter werden vertauscht (Nuss - muss, dem - den, Tanne - Kanne, Äquator - Equador)
Die Buchstaben d-t, p-b, v-w, k-g, n-m werden häufig verwechselt, da sie nicht richtig unterschieden werden können
Unsicherheiten in der Grammatik
Probleme beim Auswendig Lernen von Gedichten oder Liedern
Die Kinder schalten im Unterricht nach einiger Zeit ab, da sie die hohe Konzentration, die sie fürs Hören benötigen, nicht auf Dauer aufrecht erhalten können
Häufiges Nachfragen bei auditiv gestellten Aufgaben in lauter Umgebung
Unangemessenes Verhalten oder keine Reaktion des Kindes bei auditiv gestellten Aufgaben, Probleme beim Durchführen mehrteiliger mündlicher Anweisungen
Die Richtung aus der ein Geräusch kommt kann nicht richtig eingeordnet werden, das Kind wendet sich nicht oder verspätet dem Sprecher zu
Sie hören meist nur mit einem Ohr, nicht mit beiden Ohren gleichzeitig
Wenn viele Personen durcheinander reden ist das Kind häufig sehr laut. Sie wollen so erreichen, dass sie sich selbst besser aus dem Stimmengewirr heraus hören
Fehlende Sprachmelodie, monotones Vorlesen
Die Kinder haben Probleme beim Kopfrechnen, da sie die mündlich gestellte Aufgabe nicht verstehen
Bei mehrteiligen mündlichen Anweisungen können sie sich häufig nur einen Teil der Aufgabe merken
Bei Diktaten kommt es häufig zu Wortauslassungen und sonstigen Hörfehlern, sie vergessen ganze Teile des Satzes
Große Empfindlichkeit bei schrillen und lauten Geräuschen
Häufig wird das Radio, der Kassettenrekorder oder der Fernseher zu laut eingestellt
Ursachen
Die Ursachen einer AVWS sind bis heute nicht geklärt. Allerdings gibt es bestimmte Kriterien die dafür in Frage kommen können:
Umwelteinflüsse, z.B mangelndes Lernangebot
Ständige Mittelohrentzündungen im Kleinkindalter
Häufige, lang andauernde Paukenergüsse (Schleim, Wasser hinterm Trommelfell) im Kleinkindalter
Traumatische Erlebnisse
Sprachentwicklungsverzögerungen in Kombination mit anderen Entwicklungsverzögerungen (z.B. Motorik)
Familiäre Häufung von AVWS
Hirnreifungsverzögerungen, frühkindliche Hirnschädigungen
Sauerstoffmangel während und nach der Geburt
Frühgeburten
Häufigkeit
Die Häufigkeit von AVWS wird in der Literatur unterschiedlich eingeschätzt.
Bei Kindern geht man von einer Häufigkeit von 2-3% aus. Das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen beträgt 2:1.
Bei Erwachsenen geht man von einer Häufigkeit von 10-20% aus.
Diagnostik
Besteht ein begründeter Verdacht auf AVWS muss eine umfangreiche, interdisziplinäre Diagnostik erfolgen.
Gründliche Anamnese über die bisherige Entwicklung des Kindes
Überprüfung des allgemeinen Lern- und Leistungsprofils
Überprüfung des peripheren Hörvermögens (Audiogramm + Tympanogramm). Es darf keine Mittelohrentzündung, kein Paukenerguß und keine Mittelohr- oder Innenohrschwerhörigkeit vorliegen.
Aufmerksamkeitsprobleme müssen ausgeschlossen werden.
Begleitbefunde abklären: LRS (Lese- und Rechtschreibschwäche), ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung), Hyperaktivität, SES (Sprachentwicklungsstörung) und periphere Hirnstörungen können gemeinsam mit AVWS auftreten, müssen aber nicht. Eine diagnostische Abklärung ist sinnvoll, da festgestellt werden sollte, welches das übergeordnete Störungsbild ist.
Ausschluss einer Sehstörung / bei Bedarf Überprüfung der visuellen Wahrnehmung
Psychoakustische Testverfahren
Psychometrische Testverfahren
sonstige Testverfahren zur Erfassung von AVWS-Kindern
Ergänzende Befunde: OAE (Otoakustische Emissionen), BERA oder CERA
Grundsätzlich darf die Diagnostik nur von Fachleuten durchgeführt werden.
Fragebogen AVWS
Sollte der Verdacht auf AVWS bestehen, finden Sie hier entsprechende Links zu Fragebögen.
Anamnese Fragebogen der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie:
Quelle: http://www.avws.info/was_ist_avws.html